Der Cembalospieler | |
Roman, 2008 | |
Erhältlich als Taschenbuch wie als eBook bei B.o.D. (Book on Demand) | |
Der Cembalospieler | Rezeption | |
Wer mehr wissen will darüber, was Musikern wichtig ist - wie man ein Stück erarbeitet, wie man sich auf den
Punkt in Hochspannung versetzt, welche Frustrations- und Beglückungsmomente einen in den stundenlangen einsamen Sitzungen
am Instrument erwarten, vor allem aber: was Musik einem Musiker geben kann -, der kann hier tief in die Materie eindringen, so tief,
wie es selten in der Literatur geleistet wird:
Wie jedes gelungene Kunstwerk hat auch dieser Roman viele Dimensionen. Nur eine davon ist die ebenso flammende wie fundierte
Hommage an Bach. Morsbach bringt das Kunststück fertig, seitenweise mit ausgefuchsten musikalischen Details daherzukommen
und den Leser dennoch nicht zu überfordern. Ihr Held Moritz Bauer ist nicht nur ein glühender Bachverehrer, sondern auch
ein genialer Bacherklärer.
Da Petra Morsbach, mehrfach ausgezeichnete Autorin publikumsfreundlicher Romane, dies alles in einen relativ schmalen Roman packt,
kann nicht viel mehr herauskommen als ein Kessel Buntes. Der wiederum erzeugt eindrucksvolle Dampfwolken bei der Beschreibung und
Analyse der Bach-Werke, die für Moritz Bauer die Stationen seiner künstlerischen Entwicklung markieren. Aber ob das alles
stimmt, was da über die Chromatische Fantasie oder die Goldberg-Variationen steht, wenn schon aus der Johannespassion unkorrekt
zitiert wird?
Dass der Roman auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis fehlte, war vorhersehbar - alles andere wäre schon eine Überraschung
gewesen. Denn Petra Morsbach passt nicht ins Raster einer Literaturkritik, die sich auf Netzwerkarbeit verlegt hat. In Sachen Lobby
ist die Autorin einfach zu schwach aufgestellt. Obendrein gestattet sie sich mit jedem Buch den Luxus, in eine andere Lebenswelt
einzutauchen und sich diese anzuverwandeln.
«Freilich geht es in der Kunst selten nur um Kunst». Es geht um Geld und Macht, Einfluss und Renommee, Neid und Eifersucht, kurz,
um das ganze menschliche Elend. Und hier ist der blinde Musiker [...] besonders scharfsichtig. Dieser Roman bietet auch ein farbiges Panorama
des Kunstbetriebs, Sparte Alte Musik, aber mit Ausblicken auch in die bildende Kunst und des sich dort tummelnden Bestiariums. Es sind dies
Leute, die vom Glanz der Kunst profitieren, ohne - wie die Künstler selbst - das Letzte zu geben, nämlich sich selbst mit Haut und Haaren.
Hier geht es nicht ohne eine Spur Verachtung ab, und wenn man sich die Typen auf der Zunge zergehen lässt, die Petra Morsbach erfunden
(oder auch nur gefunden) hat, dann teilt man dieses delikate literarische Gefühl gern.
Man erfährt viel über den Musikbetrieb, aber alles, was dabei herauskommt, ist eine mehr oder weniger fade Satire über
einen Musikkritiker.
Schmerzhaft scharf wird Morsbachs Beobachten, sobald ihr Blick auf Macht und Abhängigkeit, Geld und Not, Wahrheit und
Lüge in der Kunst fällt. Sie verlangt vom Leser, die exakte Beschreibung des Empörenden, den Akt der Empörung
und auch noch die Abfuhr, die der Empörung zuteil wird, zu ertragen: „Du willst die kleine Gerechtigkeit, die jeder will – Belohnung
für sich –, aber das ist keine“, bemerkt einer von Petra Morsbachs Charakteren an einer Schlüsselstelle. „Schon
die mittlere Gerechtigkeit würdest du nicht wollen, denn dazu gehört der Konzertmeister von Minsk, der in Wuppertal auf der
Straße fiedelt. Und die ganz große Gerechtigkeit – nun, die müssen wir alle fürchten. Die würde uns vom
Platz fegen“. [...] Es gibt auch eine moralische Geometrie, die der artistischen inkommensurabel ist. Ihr Wahres mag Petra Morsbach
befähigt haben, so über den Kulturschmock aller Art zu schreiben, über die Benutzung des Künstlers durch Kritiker,
Manager und akademische Wichtigtuer: so präzise nämlich, so eindringlich, so schonungslos – und zugleich so ohne jede Spur von
Ressentiment. |